Jürgen Saalwächter
Saalwächter

Unternehmensberatung... Ade!

04.09.07

Zunächst etwas Allgemeines: Die Rechtschreibreform ist ja nun eingeführt! Trotzdem habe ich mich noch nicht näher mit "Derselbigen" beschäftigt, setze aber jetzt schon mal vorsichtshalber bei Substantiven, die attributiv benutzt werden, ein Komma. Schiffffffahrt schreibe ich mit sovielen "f" wie ich Zeit habe... und ansonsten schreibe ich weiter, wie ich es früher gelernt habe - oder besser - denke gelernt zu haben.

Die, die unsere Website öfters besuchen werden es gemerkt haben; die Unternehmensberatung wird zum Jahresende "obsolete" und befindet sich jetzt quasi in der "last-time-buy-Phase". Mein Exklusivvertrag mit ARROW läuft aus und gibt mir somit die Möglichkeit, nun auch unabhängig von ARROW in der Branche tätig zu werden, die seit über 30 Jahren meine Heimat ist. Die Fragen, die sich allerdings dabei aufdrängen sind vielfältig und deren Beantwortung bedarf schon einiger Überlegungen: über 30 Jahre in der Elektronikbranche, davon 26 Jahre im Handel in einer Firma, deren Werdegang man mehr oder weniger von Anfang an mit geprägt hat.

Einer Firma deren Weg man von einem Mittelplatz in Deutschland Anfang der 80er Jahre bis zur No.1 in Europa mit all seinem Herzblut begleitet hat. Einer Firma, von der man - mit Recht - behauptet hat, die Beste überhaupt zu sein. Wo also tätig werden bzw. womit und vor allem, wie lange noch? Die Antworten drängen sich fürwahr nicht auf, umsomehr weitere Fragen.

"Wieso eigentlich überhaupt noch mal tätig werden?"

"Weshalb nicht einfach … nicht mehr tätig werden?"

Nicht mehr tätig werden! Diese 3 Worte entbehren nicht eines gewissen Charmes und klingen nach kurzem Nachdenken nicht wenig verlockend!

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Was böte sich aber an, um tätig zu werden? Nun, speziell im Handelsbereich differenziert man sich fast ausschließlich durch die Güte seiner Mitarbeiter. Im Elektronikhandelsbereich wird dies umso deutlicher, seit dieser Markt von einigen wenigen global agierenden Distributoren geprägt und dominiert wird, deren Philosophie und Marktauftritt... fast gleich ist! Man unterscheidet sich weder durch die Hersteller, die man vertritt, noch durch deren Produkte. Marketsharegewinn, verbunden mit dem Ziel, die absolute No.1 zu werden, steht bei den Zielen ganz oben auf der Liste und folgt unmittelbar der ersten Priorität... den Shareholder Value verbessern zu wollen. Die finanziellen Spielräume unterscheiden sich nicht wesentlich, die Logistik lässt bei keinem zu wünschen übrig und auch in vielen anderen Dingen ist eine Differenzierung vom Wettbewerber schwer möglich, da die Globalisierungsbestrebungen gewisse Zwänge nach sich ziehen, denen sich kein Unternehmen entziehen kann, wenn es denn global agieren will.

Heutzutage ist in jedem nach Globalisierung strebendem Unternehmen der Erfolg mit schnellem, über dem Marktdurchschnitt liegenden Wachstum, unweigerlich verknüpft und an den leicht zu erzielenden Wachstumsraten in den östlichen europäischen Ländern und in Asien müssen sich allzu oft auch die Landesgesellschaften im westlichen Europa messen lassen. Klar, dass der Vergleich des öfteren hierbei nicht zu Gunsten West-Europas ausgeht, was durchaus hin und wieder Kritik der meist amerikanischen Konzernspitzen nach sich zieht. Im westlichen Europa, in den satuierten Märkten, werden die Kunden nicht mehr, sondern weniger. Vieles, was vor Jahren noch hier produziert wurde, ist längst in östlichere Gegenden verlagert worden und dieser Trend wird sich auch nicht so schnell wieder umkehren. Während man im Osten und in Asien aufgrund der landesspezifischen Gegebenheiten sehr gut wachsen kann und die potentiellen Abnehmer dort drastisch zunehmen, so nehmen diese in West-Europa drastisch ab.

Je kleiner aber hierzulande die Kundenbasis wird, umsomehr sind gestandene Marketing- und mehr noch Vertriebsmitarbeiter gefragt, die den Markt kennen und jahrelange Kundenbeziehungen aufweisen können.

Ich denke deshalb, dass eine kleine Personalagentur, geführt von einem der seit Jahren die Branche gut kennt und dessen Name hinreichend bekannt ist, durchaus ihre Existenzberechtigung haben könnte.

Umsomehr, da wenn es um technischen Vertrieb geht die Wechselmöglichkeiten nicht nur innerhalb des Handels, sondern auch vom Handel zum Hersteller und umgekehrt bestehen und durchaus nicht unüblich sind. Personal, gute engagierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren schon immer der Schlüssel zum Erfolg und werden es in einer immer globaler werdenden Welt umsomehr sein, umsomehr die Unternehmen sich in Struktur und Philosophie angleichen. Je grösser, je weltumspannender ein Unternehmen wird, desto mehr strebt sein Führungsteam nach Transparenz und Kontrolle und beides ist nur mit Vereinheitlichung bzw. Angleichung der Strukturen und Arbeitsvorgänge möglich.

Dies ist u.a. auch einer der Gründe, warum die Globalisierung immer wieder als Reizthema zur Debatte steht und zwar nicht nur bei den erklärten G8-Gegnern (bei dieser Spezies allerdings aus anderen Gründen) sondern auch bei gestandenen Führungskräften. Allerdings vergessen diese dabei gerne, dass bei der Globalisierung nichts anderes geschieht als das, was regional (unter Umständen sogar unter ihrer eigenen Verantwortung) schon viel früher ebenfalls geschehen ist. Auch schon in unserer überschaubaren Vergangenheit kauften größere Firmen kleinere. Auch da wurde zentralisiert, Abteilungen geschlossen, neue gegründet, Strukturen verändert und Organisationen angepasst.

Wenn ich mich recht erinnere, haben allein wir bei SPOERLE von 1984-2000, 7 Firmen mit einem Umsatzwert von je 30-130 Millionen Deutschmark aufgekauft...und integriert. Auch wir wollten durch die Integration u.a. mehr Transparenz und Kontrolle erzielen. Wo liegt also der Unterschied?

Was in Vergangenheit regional geschah, wird heute lediglich weltweit weitergeführt und außer der Größenordnung und der Wortwahl hat sich nichts geändert. Früher hieß es Integration, heute Globalisierung! Hätte man früher schon an Globalisierung gedacht, wäre die damalige Wortwahl sicher nicht auf Integration gefallen, sondern auf Regionalisierung. Zugegebenermaßen ist allerdings Globalisierung etwas komplexer als "Regionalisierung".

Wenn man auf regionaler Ebene die Buchhaltung von A nach B verlegt, beeinflussen diese 200, 300 Kilometer weiter südlich oder nördlich die weitere Zusammenarbeit nicht wesentlich. Es bleibt alles in einem Kulturkreis mit der gleichen Sprache und der gleichen Mentalität. Verlegt man allerdings international die Buchhaltung von Europa nach Asien, ändert sich schon einiges, was die Zusammenarbeit erschwert und die Buchungskosten dort erweisen sich nach einiger Zeit zwar immer noch als billiger, aber eben nicht als "preiswerter". Es gibt nicht wenige Firmen, die administrative Bereiche und auch Produktionsstätten nach Osten verlagerten und diesen Schritt aus den verschiedensten Gründen (mangelndes Qualitätsbewusstsein, schlechte Kommunikation, fehlende Infrastruktur, nicht vorhergesehene Folgekosten und, und, und...) wieder rückgängig machten oder es es gerne tun würden!

Nun ich will nicht besserwisserisch erscheinen, es gibt immer mehrere Wege, die zum Ziel führen und heutzutage unterscheiden sich die Erfolgsparameterer in mancher Hinsicht von denen der Vergangenheit. Während es früher als mittelständiges Unternehmen schon oft genügte, einen guten kontinuierlichen Ebit und eine entsprechende Liquidität zu haben, so genügt das heute schon lange nicht mehr. Heutzutage müssen börsennotierte Unternehmen weitaus mehr Parameter erfüllen, um als erfolgreich zu gelten. Ich meine hierbei beileibe nicht die Erhöhung des Shareholder Value. Dies ist lediglich ein neues Wort für das älteste Bestreben der Welt. Gewinnmaximierung für die Besitzer. Früher wollte der Unternehmer, der Patriach, immer mehr Gewinn aus dem erzielen, was ihm gehörte und heute sind es die Aktionäre, die Shareholders, die diesen Anspruch haben... da hat sich nichts geändert. Das ist das Fundament des Kapitalismus.

Was ich aber meine, ist ein Faktor, der auch früher schon wichtig war und durch den sich auch früher schon erfolgreiche Firmen von weniger erfolgreichen unterschieden haben:

Personal und dessen Entwicklung

Es ist unstrittig, dass Erfolg mit guten Personal kommt und mit weniger gutem Personal ausbleibt! Aus meinen Erfahrungen weiß ich, wie viele Stellen jährlich durch Kündigungen zu ersetzen und je nach Wachstum neu zu rekrutieren sind, und ich weiß auch, wie schwer es ist, gute Mitarbeiter zu finden und zu verpflichten. Manche streben zwar nach Veränderung, scheuen aber aus den unterschiedlichsten Gründen den direkten Weg und noch mehr den Weg über große Agenturen. Hier also könnte ich mir eine Betätigung vorstellen, die für alle Parteien von Nutzen sein könnte. Durch meine über 30jährige Tätigkeit in der gleichen Branche habe ich mir einen gewissen Bekanntheitsgrad - der für Fairness und Verlässlichkeit steht - erworben, der es ermöglicht, hilfreich zur Seite zu stehen, wenn es um die Besetzung von Positionen geht, für die qualifizierte Bewerber von Nöten sind.

***

Aber nun genug von eventuellen Zukunftsplänen, ich möchte heute etwas nachholen was ich längst schon hätte tun sollen. Etwas was man normalerweise auf einer Abschiedsveranstaltung tut. Also dieser Art von Veranstaltungen bei denen die, die zu verabschieden sind, immer dafür gelobt werden alles richtig gemacht zu haben und verbal in den Himmel gehoben werden. Die, die gehen waren immer die Besten: Verantwortungsvoll, aufopfernd, fürsorglich, treu, integer... um nur einige Charaktereigenschaften zu nennen. Alle die gehen hatten, immer ein offenes Ohr, setzten sich für ihre Mitarbeiter und Kollegen vorbildlich ein und waren Tag und Nacht im Dienst ihrer Mission tätig. Sie trugen immer ein Lachen auf den Lippen und gingen selbst in hoffnungslosen Situationen noch strahlend voran. Nie kam ihnen ein böses Wort über die Lippen. Sie wurden von allen Mitarbeitern, Kollegen, Lieferanten, Kunden, Vorgesetzten, allen bekannten Politikern und Professoren gerne gesehen und geschätzt, sowohl als Gesprächspartner als Ratgeber und auch als Freund. Sie waren sozial eingestellt und sozial engagiert und gleichzeitig fanatische Verfechter des Kapitalismus und der freien Marktwirtschaft... Sie wurden von allen geliebt! Nur eines hatten sie nicht: Fehler!

Nun, ich hatte und habe Fehler und mir war einfach nicht danach... nach einer Abschiedsveranstaltung! Aber nun zum Thema; Wie die Meisten aus der Branche ja wissen, war die Firma bei der ich 26 Jahre tätig war, sehr erfolgreich, und der Hauptgrund dafür waren gute Mitarbeiter. Mit einigen wenigen dieser guten Mitarbeiter war es mir vergönnt von Anfang an zusammenzuarbeiten. In 1979 waren wir bei SPOERLE so ungefähr 50 Leute und erzielten so ungefähr 50 Millionen Deutschmark. Einige von diesen 50 waren auch noch vor zwei Jahren da, als ich das mittlerweile 1-Milliarden-Euro-Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern verließ und in die Beraterrolle wechselte:

Wolfgang Bittner, Wolfgang Blau, Werner Goldberg, Robert Hendel Conny Jack, Rainer Jakobi, Harald Jung, Rudi Kiesl, Ruth Löwe, Aribert Lorenz, Doris Neukirchinger, Peter Steigerwald, Heinz Wiegand

Wir haben zusammen ein Viertel Jahrhundert für das Wohl "unserer" Firma geackert - gerne geackert - und dabei viel Spaß gehabt!

Ich danke Euch!

Aber auch bei allen anderen Mitarbeitern bedanke und verabschiede ich mich zugleich. Ihr wart eine tolle Truppe und seid das hoffentlich auch weiterhin!

Das "hoffentlich" hätte ich auch weglassen können. Natürlich ist SPOERLE auch nach meinem Weggang noch der beste Distributor, denn... wenn jemand in einem Betrieb unverzichtbar wäre, dann wäre etwas falsch in diesem Betrieb. Gute Mitarbeiter machen auch weiterhin einen guten Job, jedenfalls solange wie sie an ihre Führungskräfte und an die vorgelebte Philosophie glauben.

Einer - dem ich alles zu verdanken habe - war vor 2 Jahren nicht mehr im Konzern, aber es ist ein Muss, ihn zu erwähnen: meinen ehemaligen Chef und Mentor, den Unternehmer Senator Carlo Giersch. Er hat meinen Werdegang geprägt und wer weiß, wo mich das Leben hingeführt hätte ohne ihn und seine Geduld... denn einfach war es mit mir sicher nicht! (naja, mit ihm auch nicht...)

Von Herrn Giersch habe ich viel gelernt, vor allem das, was nicht in den Lehrbüchern steht und viel wichtiger ist als alles angelesene. Ich habe ihn geschätzt und geachtet und es sehr bedauert, dass er 1999 aus der Geschäftsführung ausgeschieden ist.

Danke für alles!

Bezüglich der Gefahr eines Sentimentalitätsanfluges: Themawechsel...

Ab und zu fragt mich mal jemand was eigentlich meine persönliche Erfolgsformel war, die mich ja immerhin an die Spitze eines Unternehmens brachte, das - wie die Zahlen ja zeigen - nicht zu den gerade Kleinsten in der Welt gezählt hat. Nun, mit einer Erfolgsformel, mit der man die Karriereleiter hinaufklettert, kann ich nicht dienen. Ich glaube allerdings sagen zu können, was zum Misserfolg führt: Wenn man es jedem recht machen will und keine eigene Meinung hat!

Es jedem Recht zu machen, war noch nie mein Bestreben und wird es sicherlich auch in Zukunft nicht sein. Man tut das, was man für richtig hält - natürlich ohne andere zu verletzen - und sagt das, was man denkt! Man ist nur dann gut und glücklich in seinem Leben, wenn man morgens in den Spiegel schauen kann und sich selbst sieht.

Fehler sind gestattet. Wichtig ist nur, wenn man Fehler bemerkt, sollte man diese schleunigst versuchen zu beheben und noch wichtiger... man sollte den gleichen Fehler nicht nochmal machen!

Übrigens, meine Tätigkeit als Senator im Europäischen Wirtschaftssenat habe ich aufgekündigt. Was ich da eigentlich wollte, weiß ich bis heute noch nicht... das ist nun gar nicht meine Welt.

Meine - bzw. die Welt unserer kleinen Familie - ist eher die ruhige, die leise Welt. Wir mögen keine großen Empfänge, keine Dinner-Parties, und mit Politikern zu diskutieren gehört auch nicht gerade zu den bevorzugten Beschäftigungen bzw. zu den Fähigkeiten, die man bei mir als gut entwickelt betrachten könnte.

Zum Schluss gilt mein Dank auch allen Lieferanten, mit denen wir partnerschaftlich verbunden waren bzw. denjenigen die diese representiert haben. Es ist mir ein Bedürfnis, die lieben Kollegen namentlich zu erwähnen, die auch schon 79/80 mit uns diskutiert haben und nimmermüde wurden, dies 2005 immer noch zu tun. Gisela Beier und Dietmar Schauer, zwei liebe, verlässliche Kollegen von Bourns. Vielen Dank für die Zeit. Eine recht lange Zeit, wie lange sieht man daran, dass Ende 1970 / Anfang 1980 unser Partner bei Knitter noch Herr Külb senior war. Die letzten Jahre war dies Peter Külb junior. Danke Peter, wir hatten immer viel Spaß und konnten uns immer aufeinander verlassen. Ja, mehr fallen mir nicht ein, die 1979 schon mit uns zusammenarbeiteten und es bis 2005 in dieser verrückten Branche aushielten, ausser einem noch, Siegbert Sauer (damals Motorola). Wir haben gemeinsam einiges bewegt und konnten uns immer vertrauen.

Mit dem Dank an die Kunden möchte ich schließen, ohne allerdings auf Namen einzugehen! Schliesslich könnte ein Wettbewerber gerade diesen oder jenen nicht kennen - und noch bin ich ja mit dem ARROW-Konzern verbunden. Die, für die der Dank am meisten gilt, wissen auch so, wer gemeint ist.

Ich danke Euch, es war eine schöne Zeit und eine faire Zusammenarbeit!

Jürgen Saalwächter


 
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