Jürgen Saalwächter
Saalwächter

Reden

Begrüßungsrede von Jürgen Saalwächter vor dem Ausschuss International der IHK Offenbach und Unternehmensvertretern der IHK Darmstadt am 11.10.04 in Mörfelden bei der Dogan Media Group

Sehr geehrte Frau Boduroglu,
sehr geehrter Herr Sahin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich freue mich sehr, dass wir heute Abend mit dem Ausschuss International der Industrie- und Handelskammer Offenbach am Main und Unternehmensvertretern der IHK Darmstadt bei Ihnen in Mörfelden zu Gast sein dürfen. Wir wollen heute über die Chancen und Risiken einer EU-Mitgliedschaft der Türkei diskutieren und Ansätze finden, wie die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen intensiviert und die Potenziale der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung der Türkei genutzt werden können.

Bevor ich gleich das Wort an Herrn Präsidenten Sahin übergebe, möchte ich zuerst Brigitte Sauzay zitieren, eine französische Dolmetscherin und Publizistin, zudem Beraterin des Bundeskanzlers für die deutschfranzösische Beziehung, die einst konsternierte: "Jedes mal, wenn ich die Deutschen über Europa reden höre, habe ich Lust zu weinen. Was gibt es Traurigeres als eine deutsche Rede über Europa? Es gibt darin nichts, was zum Träumen anregte."

Zugegeben, die Bundesrepublik im Jahre 2004 ist mit Sicherheit kein Ort der Träume, und in Zeiten, wo sich Tag für Tag eine Negativmeldung an die andere reiht, fallen die düsteren Prophezeiungen der ewig gestrigen Bedenkensträger auf fruchtbaren Boden. Europa, so scheint es, ist dem Deutschen immer noch ein suspektes Konstrukt, dem sie nicht so ganz über den Weg trauen wollen. Anders, als beispielsweise in Frankreich, wo neben jeder Trikolore wie selbstverständlich die Fahne der Europäischen Union gehisst wird, wirkt die blaue Flagge mit dem gelben Sternenkranz hierzulande oft noch wie ein Fremdobjekt.

Dabei ist es Europa, das uns durch seine Wirtschaftsgemeinschaft erst den überdurchschnittlichen Wohlstand ermöglicht hat, in dem wir heute leben. Als bevölkerungsreichstes Land der Europäischen Union hat Deutschland Außengrenzen mit neun anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft... wenn wir ein Auge zurücken und die Schweiz mit hinzuzählen. Mit rund 424 Milliarden Euro gingen im vergangenen Jahr 64,04% aller Exporte in die anderen 24 Mitgliedsstaaten und der Anteil am Gesamtvolumen ist weiter steigend.

Mit der Empfehlung der EU-Kommission zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, könnte in etwas mehr als 10 Jahren erstmals ein islamisch geprägtes Land zur Union hinzustoßen. Während die Befürworter des Beitritts diese Chance als historisch bezeichnen und den ideologischen und kulturellen Mehrwert durch das EU Mitglied Türkei in den Vordergrund stellen, befürchten die Kritiker, dass mit einem Beitritt wirtschaftliche Unwägbarkeiten verbunden sind, die niemand überblicken kann - von der Internationalisierung regionaler Konflikte und den innen- und sicherheitspolitischen Bedenken vieler Mitgliedsstaaten mal ganz abgesehen.

Meine Damen und Herren, wie Sie sehen herrscht viel Diskussionsbedarf. Nicht nur vor diesem Hintergrund ist diese Veranstaltung etwas Besonderes für uns. Zum ersten mal tagt der Ausschuss International der IHK Offenbach außerhalb des Bezirks bei der Dogan Media Group, einem türkischen Unternehmen. Der Grund warum die Wahl auf diesen Betrieb fiel liegt nicht darin, dass es keine türkischen Unternehmen in Offenbach gibt, ganz das Gegenteil ist der Fall. Doch kaum ein anderes türkisches Unternehmen ist bei einer breiten Masse in Deutschland so bekannt, wie die Dogan Media Group International mit der Tageszeitung "Hürriyet".

Diese türkische Zeitung wurde mehr als 25 Jahre in Neu-Isenburg, in unserem IHK-Bezirk, gedruckt, bevor sie an die Dogan Media Group verkauft wurde, die ihr neues Domizil schließlich in Mörfelden fand. Für Ihre Gastfreundschaft, Frau Boduroglu, möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Mein Dank gilt auch der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, mit der wir gemeinsam diese Veranstaltung vorbereitet haben. Wir begrüßen die Gründung der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, da es die wachsende Bedeutung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Türkei und Deutschland und den Stellenwert der türkischen Unternehmerschaft in Deutschland untermauert.

In diesem Zusammenhang will ich gerne noch einmal auf die eben schon bemühte Handelsstatistik aus dem Jahr 2003 eingehen. Schon heute gehört die Türkei zu den wichtigsten 20 Handelspartnern der Bundesrepublik und im Umkehrschluss ist Deutschland mit Abstand der wichtigste Handelspartner der Türkei. Das Handelsvolumen betrug über 16 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Das Potenzial ist dank der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung in der Türkei jedoch noch viel größer. Besonders der deutsche Maschinenbau konnte in der letzten Zeit seine Lieferungen wesentlich erhöhen. Nunmehr entfallen auf diesen Bereich fast ein Viertel der gesamten deutschen TürkeiExporte. Die Zahl der deutschen Unternehmen, die in der Türkei investieren, ist in den letzten Jahren ständig gestiegen und beläuft sich auf mehr als 1.200.

Die IHK-Organisation sieht die Zusammenarbeit aber nicht nur bei Handel und Investitionen. Auf dem Gebiet der dualen Berufsausbildung sind wir bestrebt, ausländische Unternehmen in Deutschland für diese Form der Ausbildung zu gewinnen. Die Industrie- und Handelskammern in Offenbach und Darmstadt engagieren sich in einem Beratungsprojekt mit dem Titel "Ausländische Unternehmen bilden aus", das vom Land Hessen gefördert wird. Ziel ist es, die duale Berufsausbildung zu erläutern und den ausländischen Unternehmen näher zu bringen. Die türkischen Unternehmen sind dabei eine wichtige Zielgruppe. Daher haben wir in der Ausgabe Juni 2004 der türkischsprachigen Berufsausbildung aufgelegt und finanziert. Einige Exemplare haben wir Ihnen mitgebracht.

Wie Sie sehen gibt bereits einige Anknüpfungspunkte, wo wir deutsche und türkische Unternehmen konkret und praxisnah unterstützen und die vielseitigen Möglichkeiten der dualen Ausbildung schmackhaft machen können. Dies Thema liegt mir als Geschäftsführer der SPOERLE ELECTRONIC GmbH in Dreieich besonders am Herzen, meine Damen und Herren. Bereits seit vielen Jahren engagiert sich unser Unternehmen überdurchschnittlich im Bereich der Berufsausbildung und entwickelte in enger Zusammenarbeit mit der IHK Offenbach am Main, dem Staatlichen Schulamt Offenbach und dem beruflichen Schulzentrum "Max-Eyth Schule" in Dreieich im vergangenem Jahr ein neues Ausbildungskonzept, das im Kern die Bildung von Blockunterricht für alle SPOERLE Auszubildenden an einer einzigen Schule vorsieht. Bei einem Netzwerk von 15 Niederlassungen alleine in Deutschland, können wir mit dieser Maßnahme unseren jungen Nachwuchskräften die gleichen Startbedingungen mitgeben, unabhängig davon, ob sie in der Zentrale in Dreieich oder beispielsweise in der Niederlassung Hamburg, Leipzig oder Dortmund angestellt sind. Die Abschlussprüfung wird von allen Auszubildenden vor der IHK in Offenbach abgelegt, womit wir sicherstellen, dass alle Auszubildenden auch die gleichen Prüfungsbedingungen vorfinden.

Unternehmensnahe Dienstleistungen wie solche sind eine wichtige Funktion der IHKs. Von Bedeutung ist aber auch unsere politische Aufgabe, die Interessen der regionalen Wirtschaft zu vertreten und dies nicht nur lokal, sondern auch auf Bundesebene. Deswegen befasst sich der Ausschuss International vor allem mit handels- und außenwirtschaftlichen Themen. Hierzu gehört auch, dass wir aus Sicht der Wirtschaft den EU-Erweiterungsprozess kritisch begleiten. Wir, die Mitglieder des Ausschusses International der IHK Offenbach am Main, möchten uns heute informieren, wie die türkische Seite einen möglichen EU-Beitritt der Türkei bewertet.

Es freut mich, dass Herr Sahin, Präsident der Türkisch-Deutschen IHK und erfolgreicher Unternehmer, sich bereit erklärt hat, zu den deutschtürkisch Wirtschaftsbeziehungen zu referieren und mit uns über die Mitgliedschaft der Türkei in der EU zu diskutieren.

Zu Wort kommen aber auch deutsche und internationale Unternehmer, die Erfahrungen im Türkei-Geschäft in den letzten Jahren gesammelt haben. Herr Friedrich, Geschäftsführer der Edelmann Graphics GmbH aus Beerfelden, und Herr Khwaja, Geschäftsführer der GMH Gebraucht Medizintechnik Handelsgesellschaft mbh aus Neu-Isenburg, werden uns ihre Einschätzung zu den wirtschaftlichen Potenzialen und der Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft der Türkei darlegen.

Wir sind gespannt auf die Vorträge. Ich übergebe nun das Wort an Herrn Präsidenten Sahin. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


 
Webdesign: webizin GmbH