Jürgen Saalwächter
Saalwächter

Weihnachtsbrief 2005

Traditionsgemäß schreibe ich seit 1994 Weihnachtsbriefe, Botschaften und persönliche Gedanken für die Mitarbeiter von SPOERLE, denen es zu verdanken war, dass die Firma, der ich vorstand, sehr erfolgreich war. In unserem Sektor, der Elektronikdistribution, die erfolgreichste überhaupt. Bei allen Vergleichen hatten wir stets die motiviertesten und engagiertesten Mitarbeiter und auch das beste Ergebnis.

Eigentlich dachte ich, nun mit der Tradition der Weihnachtsbriefe brechen zu können... aber da hatte ich die Rechnung ohne meine liebe Frau Gabriele gemacht. Sie hat mich mit ihrem österreichischen Charme innerhalb von Minuten überzeugt, dass ich selbstverständlich weiter Weihnachtsbriefe schreiben werde!
"Wenn nicht für Mitarbeiter... dann eben für unsere Freunde, für Bekannte, für Nachbarn und natürlich für unsere Familie... und außerdem könnte man den Brief ja auch auf unsere Website stellen"

OK... überredet!

Weihnachtsbrief

"Weihnachten ist auch nicht mehr das, was es einmal war"...
hören wir das nicht immer öfter?

Weihnachten ist natürlich nicht mehr das, was es früher war... und die Erklärung liegt auf der Hand. Die Zeit ändert sich, unsere Welt ändert sich. Wir sind keine Kinder mehr und wir sehen die Welt und natürlich auch Weihnachten nicht mehr mit Kinderaugen. Klar, dass Weihnachten dann auch nicht mehr das ist, was es einmal war!

Viele loben auch die "gute alte Zeit". Nun, ich bin da skeptisch was die "gute alte Zeit" betrifft. Auf eine Pferdekutsche möchte ich nicht mehr angewiesen sein... vor allen dann, wenn es gerade an Weihnachten gilt, die verwandtschaftlichen Verpflichtungen wahrzunehmen.

Denken wir nur an die Weihnachtsessen bei den Eltern und für die glücklich Verheirateten bei den Schwiegereltern. Das allein sind in aller Regel schon vier Termine! Zum Teil weit auseinanderliegende Termine... schließlich sind die meisten Elternpaare geschieden und leben nicht gerade in nächster Nähe zueinander. Mit dem Auto - eine optimale Routenplanung vorausgesetzt - gerade noch zu schaffen! Mit der Pferdekutsche... unmöglich!!!

Sicher waren auch die früheren Dorfbrunnen ganz hervorragend geeignet, Kontakte zu knüpfen und zu kommunizieren. Aber ist es nicht eine unschätzbare Annehmlichkeit unserer heutigen Zeit, wenn das Wasser aus der Leitung kommt... und nicht mehr bei eisiger Kälte dem Dorfbrunnen abgetrotzt werden muss?

Zwar ist es heute wieder modern, das Weihnachtszimmer im sanften Kerzenlicht stimmungsvoll erstrahlen zu lassen, aber in der "guten alten Zeit" war Kerzenlicht die einzige Lichtquelle. Elektrizität ist doch auch ganz angenehm.

Denken wir nur an Torsten (an das Tief Torsten), welches uns einen aufregenden Winteranfang bescherte und im Zusammenhang hiermit an die Medien und deren Berichterstattung. In der "guten alten Zeit" musste sich jeder noch seine eigenen Gedanken machen, heutzutage übernehmen das Zeitung, Radio und Fernsehen.

Bad news are good news, alles wird schön aufgebauscht, damit es sich besser verkauft und niemand mehr selbst denken muss.

"Seit gestern 15.00 Uhr konnte man nicht mehr warm duschen..."
(es war Montag Nachmittag, 24 Stunden nachdem die ersten Strommasten brachen)

"es gibt unzählige Menschen, die haben seit Montag keine warme Mahlzeit mehr gehabt"
(es war Dienstag Abend)

"und heute müssen wir wieder Büchsenwürstchen essen"
(es war Mittwoch morgen)

So hört es sich an, wenn bei uns mal was schief geht!
Dramatik pur!

Aber... ist es denn wirklich soooo schlimm, mal nicht warm duschen zu können, mal einen Tag keine warme Mahlzeit zu bekommen und mal Büchsenwürstchen zu essen? Die meisten Menschen auf der Welt wissen gar nicht, was eine warme Dusche ist, von einer warmen Mahlzeit ganz zu schweigen! Die Betroffenen mögen mir verzeihen! Sicher war das nicht schön so ohne Strom, aber eben auch kein Weltuntergang! Heute brechen vielleicht alle 50 Jahre mal die Strommasten - selbstverständlich hätte das früher in der guten alten Zeit nicht passieren können - denn... es gab noch keine!

Nun, die Welt hat sich im letzten Jahrhundert rasend schnell weiterentwickelt und das Tempo nimmt von Jahr zu Jahr zu. Ob das gut oder schlecht ist, steht nicht zur Debatte, fest steht nur: Früher war es vielleicht gemütlicher, aber bestimmt nicht besser... nur anders! Alles!... Nein, ich glaube nicht alles.

Nehmen wir z.B. den Weihnachtsmann... Er ist noch genauso wie früher. Gut, heute heisst er bei einigen zwar "X-Man", aber trotzdem trägt er, wie schon vor 100 Jahren, den gleichen roten Mantel. Meist bis an die Knöchel lang´, mit sichtbarer weißer Knopfleiste und weißem Pelzbesatz, dazu eine Pumphose und ein Paar klobige Stiefel. Der Pelzbesatz sieht mehr nach Watte aus als nach Hermelin und der Weihnachtsmann verbirgt sein Gesicht - nach wie vor - hinter einem weissen Rauschebart.

Warum hat ausgerechnet er sich nicht verändert? Warum trägt er keine auf der Hüfte sitzende Jeans, darüber eine kurze Daunenjacke und Cowboystiefel... oder eine Art Pilotenlook? Pilotenlook wäre doch geil - wie man sich heutzutage auszudrücken pflegt - und Pilotenlook würde doch auch viel besser zu seiner Himmelsfirma passen!

Nun, beides wäre denkbar, aber nichts dergleichen geschieht. Er ist und bleibt seinem Image treu. Er ist ein Senior, ein älterer Herr! Er braucht kein Facelifting, denn er hat nie auf Jugendlichkeit gesetzt, eher auf's Gegenteil! Auf's Alter, auf die Tradition.

Leider drängt sich immer mehr die Frage auf:
Warum gibt es eigentlich keine Weihnachtsfrau?
Gerade in der heutigen Zeit, wo der Ruf nach Verhaltenskodexen für alles was zwei Beine hat unüberhörbar geworden ist, müsste da nicht intensiv über den Weihnachtsmann nachgedacht werden?

Müsste dieser ältere Herr nicht durch eine Weihnachtsfrau ersetzt werden?

In fast allen grösseren Firmen, die etwas auf sich halten, gibt es mittlerweile Ethic Rules... und trotzdem treiben dort die Weihnachtsmänner weiter ihr Unwesen.

Bei fast allen Weihnachtsfeiern beschenkt nach wie vor ein älterer Herr mit langem, rotem Mantel, einem weißen Rauschebart und einem großen Sack... jüngere Frauen. Meines Erachtens müsste dieser doch sehr zweifelhafte Zustand schnellstens von einer unabhängigen Ethic- und Moralkommission (EMK) auf ethisches bzw. nicht-ethisches Verhalten überprüft werden und vor allen auch daraufhin, ob dadurch der Firmenerfolg gefährdet und vielleicht sogar die Analysten irritiert werden. Oder...?

Eigentlich wollte ich jetzt mit diesem Thema weiter fortfahren und mich auch kritisch zu Freunden, die nie welche waren, und zu denen äußern, die ihr Fähnlein immer in die gerade vorherrschende Windrichtung flattern lassen.

Aber plötzlich war mir das nicht mehr wichtig...

...wir haben unseren besten Freund verloren, unseren Weggefährten, der uns über Jahre treu begleitet hat. Wie nichtig kam mir plötzlich das Schreiben weiterer kritischen Textpassagen vor, als wir vor der Entscheidung standen, unseren Max einschläfern zu lassen. Sicher haben wir aufgrund seines Alters (er wurde knapp 18 Hundejahre, das sind 126 Menschenjahre) schon länger damit gerechnet, dass uns diese Entscheidung irgendwann bevorstehen würde. Trotzdem, wenn es soweit ist, kann man den tiefen Schmerz nicht verdrängen. Es wird einem plötzlich klar, dass es nie mehr so sein wird, wie es einmal war.

Er wird uns nie mehr mit seinen großen, treuen, braunen Augen anschauen, er wird mich nie mehr freudig und schwanzwedelnd an der Eingangstür erwarten und sein Leckerli einfordern, er wird nie mehr hinter uns hertrotteln oder wie früher an den Weidezäunen bellend, hin- und herrennen, um die Schafe zusammenzutreiben (schließlich war er mal ein echter Schäferhund) und er wird uns und anderen auch nie mehr im Weg rumliegen (vorzugsweise dort wo gesaugt oder renoviert werden soll). Kein Handwerker wird die Leiter mehr über ihn hinweg tragen müssen oder sich wundern über Abdrücke grosser Pranken im frischem Estrich.

Unser bester Freund wird uns sehr fehlen. Er wird uns fehlen, wenn wir lachen und er wird uns fehlen, wenn wir traurig sind.

Sein Vorzeigekunstück war "toter Hund". Für diese Vorführung gab es immer ein ganz besonderes Leckerli. Wie gerne würden wir ihm jetzt noch ein größeres geben, wenn er wieder aufstehen würde und wieder ganz der "Alte" wäre! Aber so war es für ihn besser; er konnte und wollte nicht mehr laufen, er war müde und seine Augen waren matt. Man konnte meinen, dass er uns sagen wollte... ich will nicht mehr, lasst mich doch bitte für immer einschlafen! Es war für ihn eine Erlösung und wir glauben, er war dankbar dafür!

Nun, die Welt dreht sich weiter und Weihnachten steht vor der Tür und obwohl sich vieles von Tag zu Tag verändert, eines wird bleiben:

Der Wunsch der Menschheit nach Liebe und nach Geborgenheit...

...und dafür steht der Heilige Abend.

Weihnachten bleibt eine Zeit mit Kerzen, eine Zeit zur Besinnung... und Weihnachten wird uns weiter trotz aller Veränderungen immer wieder an das Wichtigste erinnern - an das Christuskind!

Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes, friedvolles Weihnachtsfest im Kreis ihrer Lieben!

Jürgen Saalwächter


 
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