Jürgen Saalwächter
Saalwächter

Weihnachtsbrief 2007

Wenn es im Jahre 1879 schon Computer gegeben hätte, würden diese vorausgesagt haben, dass man infolge der Zunahme von Pferdewagen im Jahre 1979 im Pferdemist ersticken würde. Heute haben wir Computer, und die sagen voraus, wie hoch die CO2 Emissionen im Jahre 2020 sein werden.

Nun, das kann ich nicht kommentieren, lediglich die Tatsache, diese Emissionen bis 2020 um 20% senken zu wollen. An dieser Zielsetzung allerdings ist der Computer nicht schuld, sondern die Politiker, allen voran Europas Führer, die sich gerade von ihrem im Jahre 2000 in Lissabon gesetzten Ziel, Europa bis 2010 zur dynamischsten und konkurrenzfähigsten Volkswirtschaft der Welt zu machen, stillschweigend verabschiedet haben, weil keine Chance besteht dieses Ziel zu erreichen. Ob das daran liegt, dass die Verordnung über den Import von Karamellbonbons 25.911 Wörter enthält, weiss ich nicht zu sagen...

Aber man könnte anführen, dass ein Hindernis auf dem Weg zur konkurrenzfähigsten Volkswirtschaft zu werden, nicht aus dem Weg geräumt werden konnte. Die Weinverordnung ist am hessischen Widerstand gescheitert (Zu spät, die Hesse komme!). Wir dürfen nach wie vor zu unserem Stöffche "Äbbelwoi" sagen, obwohl ja gar kaan Woi drinn iss. Spätestens dieser Nackenschlag hat wohl die ach so tollen Pläne, zur dynamischsten und konkurrenzfähigsten wissensbasierten Volkswirtschaft der Welt zu werden, aus dem Gleichgewicht gebracht:

Als Schelm könnte man quasi sagen, die "Äbbelwoiwirtschaft" hat der Volkswirtschaft eine schmerzliche Niederlage beigebracht und höchstwahrscheinlich weitere Ideen in diesem Zusammenhang vorzeitig zum Scheitern gebracht.

Die "Hot Dogs" - sind ja auch keine heißen Hunde drin - wären genauso verschwunden wie die "Hamburger" - sind ja auch keine Hamburger drin. Das vorwiegend von Männern zu benutzende Verhütungsmittel, was wäre daraus geworden? (Sind ja keine Pariser drin...) Man sieht alleine schon an diesen Beispielen, was man alles noch hätte neu regeln können!

Aber nicht nur in der EU glaubt man daran, alles regeln zu müssen. Unsere Regierung will jetzt Sonderurlaube einführen. Diese sollen dazu dienen, junge Elternschaften zu fördern. Die Eltern werden einfach monatelang freigestellt. Vielleicht in größeren Konzernen, in multinationalen Unternehmen, ja noch durchführbar und vielleicht sogar im Gleichklang mit der Philosophie. Job-Sharing ist schon lange kein Fremdwort mehr und gewünscht ist es "anyway", dass für jede Führungskraft mindestens zwei Aspiranten jederzeit in der Lage sein sollen, den jeweiligen Job einnehmen zu können. Ist dies im Einzelfall nicht möglich, nun dann springt eben der ägyptische Sales-Manager für den bayrischen ein. Joa mei, mir san eh' alle gleich!

Aber was machen mittlere Betriebe, um von Kleinen gar nicht zu sprechen? Wie ersetzt man dort die Leistungsträger zwischen 30 und 40 Jahren, ohne dass der Betrieb Schaden nimmt? Wo findet man jemanden, der für 6 Monate eine solche Stelle übernehmen kann? Intern sicherlich sehr schwer und extern gar nicht möglich. Bis der oder die in Frage Kommende eingearbeitet ist, kommt der Stelleninhaber zurück. Wie also werden mittelständige Betriebe auf ein solches Gesetz reagieren?

Nun, zunächst wahrscheinlich mit mehr Zeitarbeitern - dadurch wird das Problem nach außen verlagert. Da dies nur in unsensiblen Bereichen möglich ist, stellt sich die Frage nach einem möglichen Konzept für z.B. Vertrieb und Marketing. Man wird wahrscheinlich nicht umhin kommen, nach Mitarbeitern zu suchen, die nach Möglichkeit keine Mutter- und schon gar keinen Vaterschaftsurlaub beantragen werden. Also reifere Semester...!

Dies würde in zweierlei Hinsicht aus Politikersicht gesehen hilfreich sein. Die "Alten" müssen sowieso länger arbeiten (Rente mit 67) und die "Jungen" können frei von jeglichem Jobzwang sich um ihre Kinder kümmern. Fragt sich nur, ob das so gewollt ist. Man weiss es nicht, man kann sich aber denken, dass wir dadurch nicht dynamischer und konkurrenzfähiger werden. Oder doch...?

Nun, uns Menschen zeichnet ja die Fähigkeit aus, auch ausweglose Einsichten einfach verdrängen zu können. Jeden Morgen wenn wir aufwachen, sind wir 24 Stunden unserem Ende nähergekommen. Wir wissen alle, dass unser Sterben bereits mit unserer Geburt beginnt. Eigentlich ist nichts in unserem Dasein vorhersehbar - außer dem Tod! Wenn wir diese Konsequenz nicht verdrängen könnten, müssten wir den ganzen Tag wimmernd und wehklagend durch die Lande ziehen. Obwohl wir Zweibeiner als einziges Lebewesen auf der Welt wissen, dass wir vergänglich sind, stört es uns nicht so sehr.

Der Verdrängungsmechanismus funktioniert, er funktioniert sogar so gut, dass wir seltsamen Wesen tagtäglich unsere Aufmerksamkeit allen möglichen Nebensächlichkeiten widmen, so als hätten wir ein ewiges Leben. Wir ärgern uns über den angebrannten Toast, die geplatzten Grillwürstchen und die rote Ampel. Wir streiten uns um die Vorfahrt und den Parkplatz, wir ärgern uns über alles Mögliche:
...Die Kinder über die Eltern.
...Die Eltern über die Kinder.
...Der Chef über seine Mitarbeiter
   ("Ihr seid alle Idioten und ich bin euer Chef!").
...Die Raucher über die Nichtraucher.
...Und die Armen, die immer ärmer werden, über die Reichen, die immer reicher werden.

Bedenken wir aber, dass all die Ärgernisse und kleinen Nichtigkeiten, die unseren "Kamm schwellen lassen", zu unserem Leben gehören und (doch) wichtig sind. Nicht in der Sache wichtig, aber für unser Wohlbefinden. All diese Nichtigkeiten helfen uns zu verdrängen, unsere eigene Vergänglichkeit zu verdrängen. Ohne diese Fähigkeit wäre unser Leben eine Tortur und nicht lebenswert.

Manche verdrängen aber auch die logischsten, die gar nicht so schwer zu verstehenden Sachverhalte. Wer kennt nicht den Spruch der "Besserverdiener":
"Ab Juni arbeite ich nicht mehr für den Staat, ab da arbeite ich für mich!"
Aha! Die, die ab Juni nur noch für sich arbeiten, benutzen also ab diesem Zeitpunkt keine Straßen mehr, verzichten im Notfall auf Polizei und Feuerwehr, entsorgen selbst ihren Müll, schicken ihre Kinder ab Juni in Privatkindergärten und Privatschulen, erlauben ihrem 28-jähriger Sohn im 3. Semester in der 2. Jahreshälfte der Uni fernzubleiben und meiden überdies alles was "der Staat" subventioniert, wie z.B. Oper und Theater etc.!

Klingt etwas übertrieben? Stimmt! Aber immerhin logisch! Denn wenn wir uns diesen Spruch zu eigen machen, haben wir verdrängt! Verdrängt, dass wir das ganze Jahr über die öffentlichen Leistungen in Anspruch nehmen. Wir haben unsere demokratische Auffassung verdrängt. Wir reden von einem Kasse machenden Staat, der er nicht ist. Der Staat ist auch nicht der andere... und es ist auch nicht sein Geld! "Unser" Geld verwandelt sich auf dem Weg in den Staatssäckel nicht zum Staatsgeld, es bleibt unser Geld. Trotz aller Verdrängungskunst, das Geld ist durch keine noch so seltsame Methamorphase zum Staatsgeld geworden... es ist nach wie vor das Geld des Volkes, das zu unseren Gunsten ausgegeben wird.

Unabhängig davon, selbst in diesem Jahr in dem jeder von gefüllten Staatskassen spricht, sind die Staatskosten höher als die Einnahmen. Wie schwer wäre es erst zu verstehen, wenn wir alle Anfang nächsten Jahres von Herrn Steinbrück eine Nachtragsrechnung für 2007 über ca. 200 Euro bekämen, um das Haushaltsdefizit von ca. 15 Milliarden Euro auszugleichen. Ob die, die von uns dazu berufen wurden, unser Geld auszugeben, dies immer so tun wie jeder Einzelne von uns das auch tun würde, ist recht unwahrscheinlich. Aber dafür leben wir in einer Demokratie! Das sollten wir nicht verdrängen! Nicht, dass ich jetzt falsch verstanden werde, auch ich ärgere mich über zu hohe Steuern, eigentlich über unser komplettes Steuersystem. Ich bin für ausschließlich direkte Steuern, da kann sich jeder aussuchen, was er in Anspruch nimmt, aber eigentlich verdränge ich den Drang, hierfür politisch aktiv zu werden (Zeit hätte ich ja jetzt...!).

Was wir nicht verdrängen wollen, ist die Weihnachtszeit und wir stecken schon mittendrin. Wieder ist fast ein Jahr wie im Fluge vorübergegangen und überall begrüßen uns wieder all die prachtvoll geschmückten Einkaufsstraßen, die vielen Lichter und das alljährliche weihnachtliche Treiben. Eigentlich ist Weihnachten ein Fest der Ruhe, der Liebe, des Friedens, des Besinnens, nur lassen uns all die Verpflichtungen, die wir zu haben glauben, diese Zeit gar nicht so recht genießen. Wir hetzen von Weihnachtsfeier zu Weihnachtsfeier, müssen mindestens 2-3x auf den Weihnachtsmarkt und unsere guten Vorsätze vom letzten Jahr, schon frühzeitig an die Weihnachtsgeschenke zu denken, waren zwar gut, aber irgendwie nicht realisierbar. Auch müssen der Garten, der Balkon und die Fenster noch weihnachtlich dekoriert werden und die Beschaffung des Weihnachtsbaums bedarf auch noch der Planung, ganz zu schweigen vom Baumschmuck, der vom letzten Jahr soll es ja nicht wieder sein.

Und dann die Feiertage; wen besuchen wir zuerst, wen laden wir ein? Tja, wir haben schon so unsere Probleme... diese ganze Hektik, dieser ganze Stress, was hat das noch mit Ruhe und Besinnlichkeit zu tun? Naja, wenn man das mit früher vergleicht, nicht mehr viel. Aber wir leben ja auch jetzt und nicht früher und auf all die Errungenschaften und Vorteile unserer heutigen Zeit wollen wir ja auch nicht mehr verzichten. Früher mussten wir Weihnachtslieder auswendig lernen, heute haben wir einen 1,50 m großen, elektronisch gesteuerten Weihnachtsmann, der bei jeglicher Annäherung das für uns erledigt:

"Ho ho ho, Merry Chrismas and a Happy New Year; Jingle bells, jingle bells, jingle all the way..."

Merry Christmas von unserem elektronischen Weihnachtsmann und...
natürlich frohe Weihnachten auch von uns!

Von Gabi, Jacky und Jürgen

Nehmen wir alles nicht so ernst; genießen wir die Zeit so lange wir können, freuen wir uns an dem, was wir haben, und sind wir dankbar dafür, gerade hier und gerade in einer seltenen Zeit, einer Zeit des Friedens leben zu können.

Weihnachten ist auch das Fest des Friedens.
Nur, Friede ist nicht überall.


 
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